Hörspiel mir das Lied von der Literatur

 

Hörspiele sind ein bisschen wie du Musik der 90er.

 

Es gibt absoluten Trash, man kann es kaum aushalten, dass das überhaupt noch jemand hört und es immer wieder neue Aufgüsse gibt. Auf der anderen Seite gibt es aber auch die guten 90er die sich vor allem in Brit-Pop und Oasis im Speziellen zeigen. Vielleicht sind Hörspiele aber auch ein bisschen wie hinkende Vergleiche. Naja.

 

Auch mich hat angesichts einer wahren Drei-Fragezeichen-Verdummungsseuche und Hörspiel-Features aus der Brigitte lange viel davon abgehalten Hörspiele zu hören. Gott sei Dank, hat man Freunde und Bekannte, die so gute Texte schreiben, dass der ein oder Andere auch Hörspiele daraus macht.

 

Nun genießen Hörspiele bei Literatur-Nerds nicht nur wegen TKKG und Brigitte einen schlechten Ruf. Wenn sich überhaupt mal dazu heruntergelassen wird einen literarischen Stoff zu hören, dann nur als Hörbuch und wenn ja, dann bitte ungekürzt. Diese Handhabe hat sich offensichtlich auch bei der Kritiker*innen-Zunft durchgesetzt. Hörspiele werden extrem selten besprochen. Wenn überhaupt nur die großen Klassiker wie Ulysses und co. Schon gar nicht solche Sachen, die explizit für den Rundfunk geschrieben wurden.

 

Doch genau das ist bei Jakob Noltes „Unbekannte Meister 4“ der Fall. Im Untertitel heißt das Stück: „Eine Einführung in das Werk von Klara Khalil“. Und damit ist auch schon vieles gesagt. Das Stück ist ein fiktives Hörspielfeature über eben jene Klara Khalil. Auf mysteriöse Weise zu Tode gekommen war Klara Khalil die Erste, die Werbung zur Kunstform erhoben hat. Jakob spielt hier grandios mit der Form des Radio-Feature und hetzt ästhetische Überlegungen und Kapitalismus-Punchlines gegeneinander auf. Referenzen zu Arno Schmidts Radiofeatures und möglicherweise auch zu Don Delillos frühem Werk „Americana“ kann man hier ziehen oder den Ball flach halten.
Die „Beispiel-Werbungen“ sind absolute Highlights des Hörspiels. Mittlerweile bin ich kurz davor mir wirklich eine Bauknecht zu kaufen.

 

 

https://www.br.de/mediathek/podcast/hoerspiel-pool/unbekannte-meister-4-eine-einfuehrung-in-das-werk-von-klara-khalil-von-jakob-nolte/994813

 

Apropos Nolte. Zusammen mit Michel Decar hat er das Autorenkollektiv NolteDecar. Noch bis zum 24. 09. Ist im Deutschlandfunk deren Stück „Das Tierreich“ zu hören. Eine Coming of Age Geschichte im NolteDecar-Style. Hände hoch, Spaghetti Carbonara. Noch nie war die Fratze der Jugend so hässlich=schön gezeichnet und unterlegt mit eine Melodie, die zum pfeifen einlädt.
Nur noch bis zum 24.09. hörbar.

 

https://www.deutschlandfunkkultur.de/hoerspiel-korn-bier-weltall-das-tierreich.1020.de.html?dram:article_id=402112

 

Braucht man im Feuilleton einen männlichen feministischen Autor, dann ist zweifelsohne Thomas Meinicke ganz oben in der Kartei. Seine assoziativen zitathaften Schreibmontagen sind von mir schon seit einiger Zeit geschätzt. "Lookalikes" als Hörspiel zeigt aber was die endgültige Form für Meinicke ist. Meinicke, der auch als DJ arbeitet, macht hier genau deutlich, was es heißt literarisch zu sampeln. Man muss einfach nur genau hinhören. Ein großer Wurf um Meinicke endlich zu sich und zu seinem eigenen Gemüte zu führen.

 

 

https://www.br.de/mediathek/podcast/hoerspiel-pool/lookalikes-von-thomas-meinecke-und-move-d/31173

 

Ein letzter Tipp soll noch Frank „The Buchpreis“ Witzel gelten. Unwahrscheinlich, dass jemand den Knüppel „Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teeanager im Sommer 1969“ wirklich gelesen hat. 800 Seiten Schwerst- und Hochliteratur. Aber bevor hier jemand einen Bandscheibenvorfall im Kopf bekommt, kann man einfach das Hörspiel hören. Darin zeigt sich nämlich das Witzel ein deutscher Foster Wallace ist. Zumindest in seinen besten Momenten.  Anstatt sich hunderte Stunden durch dieses Ding von Witzel zu kämpfen, kann man auch einfach die grandiosen Pointen aus dem Ding im Hörspiel mitnehmen und auf Partys glänzen.
Dann darauf – meine kleinen Welpen kommt es an – Partys.

 

https://www.br.de/mediathek/podcast/hoerspiel-pool/die-erfindung-der-roten-armee-fraktion-durch-einen-manisch-depressiven-teenager-im-sommer-1969-von-frank-witzel/30861