Die besten Romantitel aller Zeiten

Von einem Leser der rauszog was im Regal stand

Auch wenn ich schon hier und da zum Lesen komme frage auch ich mich mit Blick auf meine Stammbuchhandlung öfters:
Wer soll das alles lesen?

 

Darum heute mal zu den fun facts, die sich auch die Personen draufschaffen können, die schon länger nicht mehr jeden Buchstaben aus dem Alphabet gelesen haben: den Titel.
Die Literaturgeschichte hat nicht nur fantastische Titel hervorgebracht, sie sind sogar manchmal besser, als die Romane dahinter. Die hier getroffene Auswahl versucht erst gar nicht den Anspruch auf Allgemeingültigkeit zu erheben; es ist eben das Beste an Büchern meines Regals, dass nach wie vor klasse den Staub dahinter abdeckt. Der Sinn einer solchen Aufstellung liegt auf der Hand: Auch als Buchbanause kann man mit Anekdoten über Buchtitel in der Bibliothek des Schwiegervaters zumindest kurz glänzen. Zumindest bis der nächste Trockene entkorkt wird.

 

Doch was macht einen guten Titel eigentlich aus? Es gibt sicherlich eher schmucklose Titel wie „Tyll“ oder „Qualityland“, die lediglich im Dienst der Texte dahinterstehen. Daneben gibt es auch sehr gute Titel wie zum Beispiel „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“, die aber wegen ihrer Omnipräsenz im Kanon der Weltliteratur etwas ihren poetischen Glanz verloren haben.
Sehr gute Titel haben häufig ein Sendungsbewusstsein über den Roman hinaus und Überzeugen schon vom Start weg mit einer eigenen literarischen Kraft. Ein interessantes Zitat oder Bezug des Titels kann zudem das Sahnehäubchen sein.

 

Platz 6: Abfall für Alle – Rainald Goetz

Einer der ersten deutschen Blogs überhaupt veröffentlichte Rainald (ist ne einseitige Freundschaft zwischen uns) unter dem Titel „Abfall für Alle – Roman eines Jahres“. Nicht nur die Alliteration im Titel lässt aufhorchen, sondern der Anklang des Überkonsums und die ständige Verfügbarkeit  von Sprach- und Datenmüll, der für Alle im damals neu aufkommenden Jahrhundert über uns hereinzog. Goetz will all das vor allem Ausstellen – es ist dann an uns Lesern aus den Scherben des Abfalls Wert aufleuchten zu lassen. Das Buch ist - by the way - eines der wichtigsten überhaupt für mich.

 

Platz 5: Infinte Jest/Unendlicher Spaß – David Foster Wallace

DER postmoderne Klassiker der letzten 25 Jahre. Der Titel bezieht sich auf Shakespeares „Hamlet“. Dieser findet den Schädel des Hofnarren Yorick und sagt über ihn, dass er ein „fellow of infinte jest“ sei. Im Roman ist „Unendlicher Spaß“ dann ein Spielfilm, der so unglaublich viel Spaß macht, dass man danach nur noch sabbernd durch die Welt vegetiert. Fun an so ziemlichem allem was man im Konversationslexikon unter den Buchstaben A bis F und G bis Z findet und unendliches Durchhaltevermögen brauch man natürlich auch für die gut 1500 Seiten. Während des ersten Lockdowns hab ich es auch mal ganz durchgehört: Unendliches Spiel

 

Platz 4: A Little Life/Ein wenig Leben - Hanya Yanagihara

Wieder ein Mammutroman mit kurzem Titel. Das wenige an Lebenswerten was der Hauptfigur Jude in seiner Biografie geblieben ist, ist emotional überwältigend. Der englische Titel zeigt noch etwas mehr, dass diese unglaubliche Bandbreite, die Yanagihara hier entwickelt, an eine Art Miniatur-Leben erinnert, das man hier als Leser mit durchlebt. Den Roman war damals ein unglaubliches Leseerlebnis; mittlerweile ist es mir etwas zu voyeuristisch

 

Platz 3: Gehen, Ging, Gegangen – Jenny Erpenbeck

Ein Roman über die Situation von Geflüchteten in Berlin 2013. Der Titel bezieht sich auf das Deutschlernen der Figuren, die unregelmäßige sowie ungewisse Lebenssituation, die ihnen der Staat aufzwingt und das sie selbst nach ihrer Flucht immer darauf gefasst sein müssen, wieder zu gehen; niemals anzukommen. Warum gabs dafür eigentlich nicht den Buchpreis?

 

Platz 2: Abend mit Goldrand - Arno Schmidt

Das Spätwerk von Arno Schmidt ist etwas für Menschen, die mal eine „wirkliche“ Herausforderung suchen. Der Titel des letzten zu Lebzeiten erschienen Romans ist aber über jeden Zweifel erhaben. Der Bezug: Schmidt übersetzte einst „My Novel“ von Edward Buwler Lytton. Dort heißt es an einer Stelle „the glimmering of the western golden day“. Schmidt übersetzte mit „ein Abend mit Goldrand“. Dieser Abend versöhnt uns schon mit dem Titel mit all den Untiefen, mit denen Platz 6 bis 3 hier aufwarteten.

 

Platz 1: Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten - Christian Kracht

Das deutsche Feuilleton tut sich meist schwer mit Dystopien; und ja, es ist auch nicht der beste Roman von Kracht. Der Titel macht jedoch eine Bildgewalt auf, wie man sie selten liest. Auch dieser Titel ist eine (die bessere) Übersetzung einer Zeile aus dem irischen Volkslied „Danny Boy“ („Tis I’ll be there in sunshine or in shadow“). Hier überzeugt aber vor allem die Kreativität des Findens. Diese Zeile an so eine exponierte Stelle zu setzen erzeugt eine literarische Dignität, die bleibt.

 

 

Alle Angaben wie immer ohne Gewähr. Die wahrlich besten Titel sind einem vielleicht noch unbekannt, aber bis zu ihrer Entdeckung bleiben sie eben eines jedes Zettels Traum.